Unterwegs-Blog
Kommentare 3

Terceira im zweiten Anlauf

My boat Blue Alligator under full sails in front of São Miguel.

Terceira. Ich habe es also doch noch geschafft; ich bin von Santa Maria losgekommen. Beim zweiten Versuch hat es geklappt. Am 3 Mai, über einen Monat seit dem ersten Anlauf, sind wir, Blue Alligator und ich, aus dem Hafen von Vila do Porto ausgelaufen. Zum Abschied segelte ein grosser Fliegender Fisch quer vor Blue Alligators Bug vorbei. Erstaunlich, wie lange er flog. Auch Delphine liessen sich blicken, wenn auch nicht gerade interessiert an uns, und etliche Portugiesische Galeeren zogen vorbei, die aussehen wie Seifenblasen, aber bekanntlich bei Berührung eine ganz andere Wirkung entfalten.

Endlich wieder unterwegs

Der Wind blies mässig und die Welle war gering. In der Nacht funkelten die Sterne und leuchtete das Meer vor lauter Biolumineszenz. In mein Logbuch habe ich geschrieben: «Gibt es etwas Schöneres als mit dem Boot unterwegs zu sein? Es ist gerade nicht richtiges Segeln. Der Motor läuft mit. Aber so über diese silberglänzende Fläche hinzufahren auf eine grüne, unbekannte Insel zu? Nicht, was ich dafür eintauschen würde.»

Blick auf Angra do Heroísmo mit dem Monte Brasil.

Nach 28 Stunden liefen wir in Angra do Heroísmo ein. Was für ein Name: So in etwa die Bucht des Heldentums. Und was für eine Stadt! Nach Vila do Porto auf Santa Maria hat mich Angra mit seiner Pracht beinahe erschlagen. Vom Verkehr ganz zu schweigen.

Die Stadt auf der Unesco-Liste

Der steinerne Flötenspieler im Stadtpark hat es mir besonders angetan.

Angra ist sicher die schönste Stadt, die ich auf den Azoren bis jetzt gesehen habe. Schmucke Häuser, bunte Kirchen, ein Stadtpark mit Springbrunnen, exotischen Pflanzen und einem Denkmal für einen König, das aussieht wie ein buddhistischer Tempel. Es ist seit Funchal auf Madeira die erste Stadt, der ich Eleganz zuschreibe. Dass sie als Weltkulturerbe auf der Unesco-Liste aufgeführt ist, lässt sich verstehen; zumal das Schmuckstück ja auch ziemlich weit draussen im Atlantik steht. Und wahrscheinlich führt dieser Umstand auch dazu, dass ihr ausserordentliche Pflege zuteil wird. Auf jeden Fall blättern die Fassaden deutlich weniger als in Vila do Porto und es gibt, anders als in Ponta Delgada auch fast keine Bausünden. Dafür Kirchen in bunten Farben und kleine Kapellen, die wie aus Zuckerguss gemacht scheinen.

Rennen, laufen, gehen

Igreja da Misericórdia blickt direkt über den Hafen.

An sich arbeiten aber auch die Bewohnerinnen und Bewohner äusserst beflissen. Ich habe wohl keine Stadt mehr mit einer sportlicheren Bevölkerung gesehen, seit ich das optimierungsverrückte Zürich verlassen habe. Vom Cockpit von Blue Alligator aus blicke ich direkt auf die Hafenmole, und diese wird von morgens bis abends abgerannt von Joggern jeden Alters, jeden Geschlechts und jedes Bauchumfanges. Sogar mehrmals täglich rennt ein spindeldürres Männlein vom Strand hinaus zum rot-weissen Kegel, der die Hafeneinfahrt markiert, klatscht dabei in die Hände und trommelt am Ende auf den metallenen Kegel ein, so dass es im ganzen Hafen wiederhallt. Zugegen, er ist etwas speziell. Aber in guter Gesellschaft.

In Biscoitos verkauft Andrea in ihrem Kiosk frisches Gemüse, Früchte und hausgemachten Milchreis. Die Erdbeeren waren besonders lecker.

Aber natürlich ist Terceira nicht nur Angra. Die Küsten der Insel sind gesäumt von schwarzem Vulkangestein. Immer wieder öffnen sich Buchten, die nicht selten zu Badeplätzen ausgestaltet wurden. Jetzt, im Mai, schwimmen allerdings nur die ganz Tapferen. Die Wassertemperatur misst etwas über 17 Grad. Mir ist das zu kalt. Aber am Wochenende fährt man gerne raus nach Biscoitos. Der Ort heisst tatsächlich Biskuits, wobei er nach den flachen, runden Steinen benannt ist, welche von den Vulkanen hinterlassen wurden und die Küste bedecken. Hier wächst auch ein Inselwein, der nicht mal so schlecht schmeckt.

Wandern über Felder und durch Wälder

Unendlich viele Mauern aus geschichteten Steinen überziehen Terceira.

Ich habe Glück und kann mit zwei Franzosen, Natalie und Robert, auf Inseltour gehen. Wir sind gemeinsam von Santa Maria nach Terceira gesegelt, wenn auch ihre Yoka deutlich schneller war als Blue Alligator. Die zwei sind allerdings passionierte Wanderer und noch dazu unverschämt sportlich. Ihr Wandertempo bringt mich ziemlich ins Schwitzen. Aber zwei Touren halte ich durch. Die eine führt über die ausgedehnten Felder und Kuhweiden, die fein säuberlich von Mauern aus geschichteten Steinen umsäumt sind. Von oben sehen sie aus wie die Felder auf einem Spielbrett. Die Figuren stellen die schwarz-weiss gefleckten Kühe und die schwarzen Stiere, die wohl für die Arena gezüchtet werden. Auf Angra gibt tatsächlich eine Stierkampfarena und für August sind Darbietungen angesagt. Doch die hiesigen Stierkämpfe sollen unblutig verlaufen, zumindest für den Stier, heisst es.

Cryptomeria japonica – ganze Wälder bedecken die Hänge auf Terceira.

Unsere Wanderung führt auch die Küste entlang, hinauf auf steile Klippen und auf Felsvorsprünge hinaus, wo garantiert ein Fischer steht und angelt. Das Ziel der zweiten Wanderung ist ein Berggipfel mit einem Kratersee, dem Lagohina da Serrata. Der Bergweg führt durch Wälder, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Zunächst sind es knorrige, moosbewachsene Lorbeerbäume, die ein dichtes Unterholz bilden. Dann folgen bolzengerade riesige japanische Zedern, die wie Soldaten in Reih und Glied tief gestaffelt die Hügel bedecken. Am Schluss müssen wir eine steile Treppe erklimmen, die uns an den Kraterrand führt und auf über 500 Meter.

Der höchste Berg der Azoren auf der Insel Pico ist zwar über 2500 Meter hoch. Aber wir sind trotzdem stolz – und ich bin ziemlich erledigt von der Kraxelei. Zum Dessert gibt es noch einen Besuch in einer der zwei Grotten der Insel. Der Algar do Carvão ist ein vulkanischer Schlot, eine tiefe Kammer, welche die Lavaströme hinterlassen haben. An ihrem Grund fängt ein dunkler See die Tropfen auf, die durch die Öffnung und durch das Gestein rieseln. Diese Tropfen haben auch die weissen und orangefarbenen Stalaktiten gebildet, welche von Decken und Wänden hängen.

Im Algar do Carvão geht es tief in den Vulkanschlot hinunter.

Es bleibt noch das eine oder andere zu tun

Natalie und Robert sind inzwischen nach Frankreich aufgebrochen. Seit dem habe ich mich um Blue Alligator gekümmert, habe die Handläufe auf Deck und die Kästen für die Lüfter abgeschliffen und neu lackiert. Und nun warte ich darauf, dass der Wind dreht, damit ich nach Velas auf São Jorge fahren kann, das im Süden liegt. Bis dann werde ich noch etwas die Grossstadt geniessen, mich auf eine Parkbank am Hauptplatz mit seinem Mosaikboden setzen und den Menschen zusehen, in den schicken Kaffeehäusern den einen oder anderen Galão trinken, die portugiesische Variante des Cappuccino. Oder den Hausberge, den Monte Brasil, besteigen, in dessen Schatten sich diese heroische Bucht, Angro do Heroísmo, öffnet.

Kategorie: Unterwegs-Blog

von

Ich bin 1964 in Zürich geboren und habe die meiste Zeit meines Lebens als Journalist gearbeitet. Seit Sommer 2020 bin ich auf meiner Yacht Blue Alligator auf dem Atlantik unterwegs.

3 Kommentare

  1. Ingrid sagt

    Gratuliere,
    Tercierra ist sehr schön. Wenn du die Yeit hast segel noch um die Ecke nach Praia de Victoria, eine andrere Welt, etwas ruhiger und hat uns sehr gefallen.

    Ingrid u. Dirk
    SY INDIA

  2. Pingback: Segeln ist auch eine Suche nach den eigenen Grenzen – Meergeschichten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.