Unterwegs-Blog
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Die See ist immer für eine Überraschung gut

Guernsey liegt achteraus. Vor uns eine See mit beachtlichen Wellen. Aber nach Alderney sind es nur drei Stunden.

Im Ärmelkanal wechseln Wind und Seegang zuweilen im Tagesrhythmus. Deshalb ist Zeit ein wichtiges Gut, wenn man in diesen Gewässern unterwegs ist. Nichts Schlimmeres, als bei stürmischen Winden und mörderischem Seegang gezwungen zu sein, auszulaufen.

Lieber einen Tag warten, dafür unter guten Bedingungen segeln. Nach diesem Motto waren wir auch diesen Sommer wieder unterwegs, meistens wenigstens. Natürlich muss man Abstriche machen, was gesteckte Ziele angeht; wir sind längst nicht soweit gekommen, wie wir geplant hatten. Aber dafür waren wir zumeist dann auf See, wenn es dort am schönsten ist.

Alles hat ein Ende

Das Prinzip „Ausharren“ hat indes auch seine Tücken. Denn irgendwann läuft jedem die Zeit aus. Und hat man vorab zu lange gewartet, fehlt einem am Ende die Reserve. So erging es uns auf unseren letzten beiden Schlägen von Guernsey über Alderney nach Cherbourg.

Bei Flaute noch sind wir von Tréguier an der Côte des Granits roses nach Guernsey getuckert. Kaum waren wir dort, fing es an zu blasen. Zwei Tage blieben wir. Am dritten, die Wind- und Wettervorhersage hatte eine Beruhigung angekündigt, liefen wir aus Richtung Alderney.

Berg- und Talfahrt

Der Wind blies mit 20 bis 25 Knoten aus Süd-Süd-West, soweit so gut. Die Wellen, die von Westen anrollten, aber erschienen uns etliche Male von der Grösse eines Einfamilienhauses, so dass Blue Alligator eine aufregende Berg- und Talfahrt absolvierte. Entstanden waren sie draussen auf dem Atlantik, wo es noch ein wenig stärker blies.

Aber Jachten wie Blue Alligator kommen mit solchen Seen bestens zurecht, besser als ihre Crew auf jeden Fall, die schliesslich Mägen besitzt. Doch auch die genoss es, denn Achterbahnfahren macht Spass, wenn die Sache absehbar ist. Wir schafften die Stecke in drei Stunden allein mit gereffter Genua und mit dem Gefühl, eine Art Rodeo auf See überstanden zu haben.

Alderney wie es lebt und schaukelt

Allerdings ahnten wir schon, dass das Schaukeln so rasch kein Ende haben würde. Wer Alderney kennt, weiss, dass der Hafen – ein Bojenfeld hinter einer imposanten Mauer – nur bei seltenen Gelegenheiten eine völlig ruhige Nacht zu bieten hat: Die Voraussetzungen dafür sind totale Windstille und schwache Gezeitenströme.

Wir waren mit den Gegenteilen konfrontiert: Anhaltend starker Wind und starke Gezeiten. In der Nacht hörten wir die See gegen die Mauer krachen. Immer wieder schlug Gischt meterhoch über sie hinweg und ging als Sturzbach auf der Innenseite nieder.

Der Wind rüttelte bis in die Morgenstunden am Rigg, die Böen liessen die Wanten vibrieren. Am nächsten Morgen hiess es: Entweder um sechs Uhr auslaufen oder bis 16 Uhr ausharren.

Ruhige See

Obwohl uns der Vortag noch in den Knochen sass, wagten wir es; auf der Windanzeige lasen wir in der Bucht noch Spitzen von 18 Knoten ab. Also liessen wir beim ersten Licht die Boje fahren und steuerten aus dem Bojenfeld ins Fahrwasser. Und wieder einmal hatte sich der Ärmelkanal verwandelt : Als wir die Bucht von Alderney verliessen, rollten zwar noch immer Wellen von Westen heran. Aber von den Bergen des Vortags war keine Spur mehr. Gut für uns, denn das Alderney Race, das notorische Wildwasser zwischen der Insel und dem Cap de la Hague, ist auch ohne Seegang ein Erlebnis der besonderen Art.

Nachdem wir schliesslich hinter la Hague in die Abdeckung der Halbinsel Cotentin gelangten, war die See allenfalls noch gekräuselt und die letzten Meilen mit 15 bis 20 Knoten Wind boten perfektes Segeln.

Und die Moral von der Geschichte? Die See hat immer eine Überraschung für einen parat. Manchmal auch eine wirklich gute.

Die Möwen auf Alderney sind ganz schön neugierig.

Die Möwen auf Alderney sind ganz schön neugierig.

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