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Santa Maria: Meine erste Azoren-Insel

Leuchtturm auf Santa Maria

Seit Ende August 2020 segle ich zwischen den Azoren-Inseln umher. Zuerst bin ich nach Santa Maria gekommen. Es ist die kleinste, die südlichste und angeblich auch die älteste der neun Inseln, geologisch gesehen. Für mich war es ganz einfach die erste. Meine Azorenpremiere also.

Vila do Porto heisst die Hauptstadt und auch der Hafen. Dieser liegt geschützt in einer Bucht. Die Höhe der Hafenmole lässt erahnen, womit man es im Winter an Wind und Wellen zu tun bekommt. Aber Vila do Porto geniesst den Ruf des sichersten Hafens auf den Azoren zu sein.

Um in die Stadt zu gelangen, steigt man zunächst einen schmalen gewundenen Weg zu einem alten Fort empor, das die Bucht beherrscht. An einem Feigenbaum, der eher einem Gestrüpp ähnelt, tun sich Eidechsen an den noch unreifen Früchten gütlich und Tauben gurren in ihren Verstecken. Vom Fort aus geht die gepflasterte Strasse direkt ins Dorf. Es ist langgezogen und besteht aus vielleicht vier parallel verlaufenden Häuserreihen. Und diese Häuser sehen alle etwa gleich aus, zumeist sind sie zweistöckig mit schlichter weisser Fassade. Vila do Porto könnte man als trostloses Nest bezeichnen, von seinem Äusseren her. Aber die Menschen sind ziemlich lebendig. Sie sitzen in den drei Strassencafés, die zusammen mit zwei Supermärkten das Zentrum bilden, und unterhalten sich über die Strasse hinweg lautstark. Als Fremder wird man freundlich, aber auch mit etwas Distanz behandelt. Ein Dorf eben. Wer dazugehört und wer nicht ist jedem klar.

Die Schönheit Santa Marias offenbart sich, wenn man Vila do Porto verlässt. Während die südliche Küste schroff und weitgehend baumlos ist und den ersten Eindruck von der Insel vermittelt, überziehen dichte Wälder und üppiges Grün das Innere und die nördliche Seite.

Die sichere Insel

Garten auf Santa Maria

Dort, im Norden, lassen sich auch Leute nieder, die auf den Azoren suchen, was in ihren Heimatländern selten geworden ist: Ruhe, Einsamkeit und Sicherheit. Keine Kriminalität gäbe es auf der Insel, sagt ein deutscher Segler. Es klingt, als hätte er mir gerade den Weg zu einem Schatz verraten. Nebst der Sicherheit habe Santa Maria aber noch andere Vorzüge, verrät der Segler: Es ist die wärmste, die grünste und für ihn auch die schönste Insel.

Letzteres werde ich noch herauszufinden versuchen. Auf jeden Fall ist Santa Maria eine kleine Perle in einem tiefblauen Ozean, ein in der Zeit stehengebliebenes Paradies, ein Schonraum, der zivilisationsmüden Festländern ein Refugium bietet, das noch dazu bezahlbar ist.

Ein Satellitenbahnhof für Santa Maria?

Die Insel ist aber nicht ganz aus der Zeit gefallen. Im Gegenteil, man versucht sie gerade an die Gegenwart, ja gar an die Zukunft zu koppeln. Seit Jahren spricht man von einem Satellitenbahnhof, der auf Santa Maria gebaut werden soll und mit dem Portugal in die Raumfahrt einsteigen will. Seit einiger Zeit werden von Santa Maria aus bereits die Ariane-Raketen überwacht, die im fernen Guiana gestartet werden. Die riesigen Satellitenschüsseln auf dem höchsten Gipfel, der, wie übrigens alle Gipfel auf den Inseln, Pico genannt wird, sind die sichtbaren Zeugen dieser extraterrestrischen Observation. Wie weit die Pläne mit dem Satellitenbahnhof denn nun seien, will ich von Joao, dem Hafenangestellten wissen. Man spreche darüber, aber bis jetzt wüssten sie auf der Insel nichts Konkretes. Der Wirtschaft würde es wohl nützen, sagt Joao, aber ob es der Gesundheit auch zuträglich sei? Schon heute seien die Inselbewohner einer starken Strahlung von all den Antennen ausgesetzt, sagt Joao. Skepsis ist bestimmt angebracht.

Pferd auf Santa Maria

Ob das Pferd, dem ich auf seiner ausgiebigen Weide über den nördlichen Klippen begegnet bin und das, als es mich kommen sah, zum Koppelrand getrottet kam, bei einem Raketenstart in Panik geraten würde? Würde es einen Einfluss auf die Wale haben, die die Insel umschwimmen, oder auf die Wahlhaie, zu denen hin täglich Boote mit Touristen fahren? Vielleicht ist es besser, man spricht einfach noch länger darüber, ohne etwas zu bauen. Doch Santa Maria war bereits einmal ein Verkehrsknotenpunkt, immerhin ein transatlantischer: Als die Flugzeuge die Strecke über den Ozean noch nicht in einem Mal schafften, landeten sie auf der Insel zwischen. Ein Provinzflughafen mit überdimensionierten Landebahnen ist davon geblieben und ein paar verwahrloste Wohncontainer entlang der Zufahrtsstrasse, die wohl Soldaten und Technikern als Unterkunft gedient hatten. Heute landen nur mehr die kleinen Maschinen des interinsularen Verkehrs auf Santa Maria und der Flughafenterminal ist die meiste Zeit so ausgestorben wie ein geschlossener Supermarkt.

Hoffnung auf Besuch

Ich werde wohl nach meiner Azoren-Tour nach Santa Maria zurückkehren und vielleicht gar auf der Insel überwintern, die so sicher gilt und so warm und so freundlich, bevor ich mich wieder auf Weg zurück nach Europa oder südlich nach Madeira und die Kanarischen mache. Doch werde ich es auf der kleinen Insel überhaupt so lange aushalten? Ich spüre die Einsamkeit manchmal an mir nagen wie ein hungriges Tier. Ich weiss dann, wen ich gerne bei mir hätte. Ich hoffe, wir werden uns bald sehen. Das unberechenbare Corona-Virus lässt es in der Schwebe, ob eine Reise aus der Schweiz zu den Azoren möglich sein wird. Es wäre schrecklich, wenn nicht. Ich mag Hunde. Ich mag auch meine neuen Bekanntschaften. Aber sie reichen nicht.

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Ich bin 1964 in Zürich geboren und habe die meiste Zeit meines Lebens als Journalist gearbeitet. Seit Sommer 2020 bin ich auf meiner Yacht Blue Alligator auf dem Atlantik unterwegs.

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