Autor: Ronald

Raue See zwischen zwei Idyllen

Roscoff, 16. März: Ich habe Tréguier am Dienstag, 15. März, wieder verlassen. Keine Wolke am Himmel. Und schon fast angenehme Temperaturen – im Fluss, sieben Meilen von der See entfernt. Es sollte sich noch ändern. Wie friedlich diese Landschaft ist: der Fluss, die grünen Ufer. Zwischen Eichen eingebettet die typischen bretonischen Häuser aus Granit. Eine Frau, die mit ihren beiden Hunden am Ufer spazieren geht, schaut mir nach. Zwei Fischer in ihrem Boot sind damit beschäftigt, die Gerätschaften klar zu machen. Sie werden mich später in der Flussmündung mit ihrem Motorboot überholen. Sonst sind keine Menschen zu sehen. Je näher der See, desto rauer die Sache Je näher ich der Mündung komme, je breiter der Fluss wird, desto stärker legt der Wind zu. Und schon spürt man den Seegang, erst ganz leicht, aber bestimmt. Er wird kräftig werden heute. Je näher ich dem Meer komme, desto diffuser wird auch das Licht, als hätte sie die See mit Dunst getränkt, mit Gischtnebel, den der Wind von den Wellen abgerissen hat. Ich passiere den Leuchtturm Le Corne …

Von Cherbourg nach Tréguier

Tréguier, 14. März 2016 Ich bin nun endlich unterwegs. Es brauchte einen kleinen Ruck, damit ich mich aus der Gemütlichkeit des Hafenlebens befreite und die Reise, die ich doch so sehr herbeigesehnt habe, endlich antrat. Doch wenn mal man den ersten Schritt gemacht hat, geht es dann doch ganz leicht. Leinen los! Am Samstag habe ich in Cherbourg bei Hochwasser die Leinen losgeworfen und bin Richtung Westen ausgelaufen. Wind hatte es nicht so richtig. Und über allem lag ein diesiger, grauer Schleier. Aber wenigstens kam ich gut durchs Alderney Race. Das ist jene Passage zwischen Cap de la Hague an der Westspitze der Normandie und der kleinen Kanalinsel Alderney. Dort zieht der Strom mit manchmal bis zu 10 Knoten um die Ecke und macht aus der See eine Achterbahn. Selbst bei Flaute gibt es Stellen, an denen man ziemlich durchgeschüttelt wird. Auch vom Kap war nicht viel zu sehen. Der hohe Leuchtturm stand als graue Silhouette von einem grauen Himmel und war schon bald im Dunst verschwunden. Steuerbord passierte ich Alderney. An diesem Tag keine Destination. Ich …

Kojentage und Geldverleih

Ich bin also angekommen in meinem Sabbatical – und natürlich auf Blue Alligator – oder zumindest fast. Denn die erste Woche, die ich nun hier bin, habe ich fast nur in der Koje verbracht. Dass ich so etwas auch unter völlig normalen Umständen fertigbrächte, will ich nicht leugnen. Die Koje ist einer der gemütlichsten Orte im Schiff, kuschlig, warm und durchs Oberlicht mit Blick in die Sterne – so es welche hat. Aber nein, ich lag mit einer akuten Bronchitis in den Kissen. Stimmlos Deshalb konnte ich noch nichts von der fast völlig verwandelten Blue Alligator zeigen, ihrer neuen Windsteuerung, dem Hydrogenerator, der Solarzelle, dem neuen Wassertank. Eigentlich wollte ich ja alles filmen. Aber es wäre ein Stummfilm geworden, denn ich habe auch absolut keine Stimme mehr. Weggehustet. Ein schwächliches Keuchen, was wahrscheinlich ganz lustig klingt. Auf jeden Fall konnte sich der Mechaniker Pierre, als er am Mittwoch an Bord kam, um mir alles zu zeigen, ein Grinsen unter seinem Blonden Bart nicht verbergen. Nun ja, wer den Schaden hat… Aber er durfte sich schon …

Small waters

Even small waters flow into the sea. I took the picture on a walk in the woods where we live in Zurich. It was a beautiful day, as if spring was just around the corner. Another week and I will depart for France. It’s a strange feeling now in between here and there.

Weltenbummler auf der Klangspur

In Zürich herrschen Minustemperaturen und alles liegt unter einer weissen Schneedecke. Ans Segeln zu denken, fällt nachgerade schwer. Doch ist dies auch die beste Zeit, sich mental auf kommende Reisen vorzubereiten – am besten vielleicht mit ein paar inspirierenden Reiseberichten in Form von Videos. Youtube ist natürlich voll von gefilmten Segelabenteuern, von Berichten von und mit Weltenbummlern auf dem Wasser, festgehalten in mehr oder minder professionellen Filmen. Aber selten liegt den Berichten ein so stimmungsvolles Konzept zugrunde, wie der Reise der Sailing Conductors. Die Sailing Conducters sind zwei junge deutsche Tontechniker, Ben und Hannes, die auf ihrem Boot „Marianne“ 2011 von Australien aufbrachen mit Ziel Berlin, ihrer Heimat. Segeln konnten sie nicht. Aber sie hatten einen Plan. Musik sammeln Auf dem Weg sammelten sie Musik und zwar so viel Musik, wie sie nur konnten. Wo immer sie eintrafen, suchten sie lokale Musiker auf und nahmen ihre Stücke auf. Ihr Boot war nicht nur Zuhause und Reisegefährt, sondern auch mobiles Tonstudio. So kam eine ganze Audiothek von echter Weltmusik zusammen. Aber die Sailing Conductors gaben der Sache noch …

Ein Polizist auf den Scilly Isles macht Furore

Sergeant Colin Taylor ist Polizist, sein Revier: die Scilly Isles. Das Archipel besteht aus über 140 Inseln und Inselchen, manche davon allerdings sind nicht mehr als ein paar Felsen, die aus der See ragen. Nur sechs Inseln sind bewohnt – oder fünf, je nach Zählart. Denn nur bei Flut sind St. Agnes und Gugh getrennt. Bei Niedrigwasser verbindet sie ein Sandstreifen und aus der Luft sieht das Inselpaar dann aus wie ein etwas deformierter Schmetterling. Obwohl nur etwa 2200 Menschen auf den Inseln wohnen, ist Taylor wohl der berühmteste Polizist in der Welt der sozialen Medien. Seine Seite Isles of Scilly Police zählt über 53’000 Freunde. Wie das gekommen ist, worin das Erfolgsrezept von Colin Taylor liegt, erzähle ich in einem Artikel in der NZZ. Pubs und Gärten auf den Scilly Isles Die Scilly Isles oder Isles of Scilly oder ganz einfach die Scillies liegen rund 30 Meilen westlich von Land’s End. 2013 haben wir sie mit Blue Alligator besucht. Die Inseln haben keinen Hafen. Man ankert in Buchten und wechselt seinen Standort je nach Windrichtung. Das Leben …

Die Schifffahrt und die Schweiz

Der Klimagipfel in Paris ist zu Ende und die Hoffnung keimt. Doch ausgerechnet eine Industrie, die CO² in rauen Mengen in die Luft pustet, blieb am Klimagipfel weitgehend unter dem Radar: die internationale Schifffahrt. Das könnte durchaus fatal sein. In einem Beitrag zitiert Spiegel-Online einen Mitarbeiter der Umweltorganisation Transport & Environment, Andrew Murphy. Dieser sagt, der CO²-Ausstoss der globalen Schifffahrtindustrie entspräche in etwa dem von Deutschland. Zwischen 1990 und 2010 hat sich der CO²-Ausstoss der internationalen Schifffahrt mehr als verdoppelt: von 286 Megatonnen auf 639 Megatonnen. Und sollte sich die Industrie nicht auf verbindliche Reduktionen verpflichten, könnte der CO²-Ausstoss bis 2030 auf 915 Megatonnen anwachsen. Wäre die Schifffahrt ein Land… Würde man die internationale Schifffahrt als Land betrachten, so rangierte sie 2014 bereits auf Platz sieben der weltweit grössten CO²-Emittenten. Sollten einzelne Länder ihren Ausstoss tatsächlich reduzieren, könnte die Schifffahrt durchaus noch einige Ränge weiter aufsteigen. Die Industrie scheint gewillt Damit es nicht so weit kommt, braucht es verbindliche Standards. Das Bündnis von Paris verzichtete auf konkrete Aussagen zur Schifffahrt – ebenso wie der Luftverkehr ausgeklammert blieb. Die Aufgabe wird der Uno-Organisation für maritime …

Instinktiv richtig

Es dauert zwar noch über zwei Monate, bis ich zu meiner Segelreise aufbreche, aber seit ich den Entschluss gefasst habe, mir sechs Monate Zeit auf dem Meer zu gönnen, kreisen meine Gedanken um nichts anderes mehr. Ich habe mich in den ersten Wochen zunächst eingehend mit technischen Details beschäftigt, habe mich gefragt, ob meine Ausrüstung den Anforderungen gewachsen sein wird. Damit lässt sich trefflich Zeit verbringen, denn wenn man sich mit Batteriespannung, Windpilot oder AIS beschäftigt, braucht man sich nicht mit seinen Gefühlen auseinander zu setzen. Doch ich habe mir auch stundenlang Filme von Seglern angeschaut, die von ihren Abenteuern berichten, und habe mir dabei immer vorgestellt, wie ich mit den Situationen zurechtkommen würde, denen sie begegneten. Und da liegt der Hund begraben. Ich glaube, mein Boot, „Blue Alligator“, ist besser ausgerüstet als manche Yacht, die schon übers Meer geschippert ist. Seetüchtig ist sie, ja. Yachten wie „Blue Alligator“ sind ganz einfach fürs Meer gebaut, gebaut, genau für die Aufgabe, die ich ihr und mir zumuten werde. Mit Menschen ist das anders. Die sind nicht dafür …

Auf zu neuen Ufern

Ab März 2016 werde ich mit meiner kleinen Yacht „Blue Alligator“ voraussichtlich sechs Monate lang unterwegs sein. Die Reise führt von Cherbourg in der Normandie nach Süden, die französische Atlantikküste entlang Richtung Spanien und Portugal. Irgendwann wage ich dann den Sprung nach Madeira und schaffe es hoffentlich später zu den Azoren. Von dort wird es im weiten Bogen zurück nach Nordfrankreich gehen. So weit der Plan. Ich werde viele Meilen allein unterwegs sein. Ein Experiment, denn obwohl ich oft und gerne allein mit „Blue Alligator“ segle, wird es doch eine sehr lange Zeit sein, während der ich ganz auf mich allein gestellt und ganz auf mich zurückgeworfen sein werde. Aber ich habe vor, viel zu schreiben, über die Reise, die Landschaften und Menschen am westlichen Rand Europas, wie sie leben, was sie denken. In diesem Blog werde ich meine Erlebnisse festhalten. Und natürlich auch über das Segeln schreiben, diese Art des Reisens, von der es ja so schön heisst: „Sailing: the fine art of getting wet and becoming ill while slowly going nowhere at great …