Atlantiküberquerung, Unterwegs-Blog
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Zeit für die Rückkehr zu den Azoren

Sunset at Iles les Saintes.

Etwas über zwei Monate bin ich mit Blue Alligator nun schon in der Karibik und es ist Zeit, den Rückweg anzutreten, zurück zu den Azoren. Eigentlich bin ich schon einmal aufgebrochen, vor einer Woche haben wir, meine indonesisch-deutsche Begleiterin Davy und ich, in Guadeloupe die Leinen gelöst und sind Richtung Nordwesten gesegelt. Das immer lauter werdende Klacken und Knacken in der Steuersäule liess mir aber keine Ruhe. Nach zwei Tagen kehrten wir um und liefen rund 100 Seemeilen zurück nach Antigua.

Blue Alligator at the custom's dock in Jolly Harbour, Antigua.

Blue Alligator at the custom’s dock in Jolly Harbour, Antigua.

Skeptische Zöllner

Ausgerechnet Antigua! Die Insel nördlich von Guadeloupe ist zwar schön, aber auch unverschämt teuer. Und die Zollformalitäten sind äusserst mühsam. Hinzu kam diesmal, dass ich der skeptischen Zöllnerin erklären musste, warum wir drei Tage für die kurze Stecke von Guadeloupe nach Jolly Harbour an der Westseite von Antigua benötigt hatten. Eine schriftliche Erklärung mit Datum und Unterschrift musste her.

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Schliesslich durften wir doch in der Marina anlegen, und ich machte mich auf die Suche nach einem Mechaniker. Ich fand Dave Boodhoo, der noch gleichentags erschien und versprach, sich der Sache anzunehmen. Wie es sich herausstellte, waren die Kugellager total verrostet.

Rusty bearings on the steering pedestal.

Rusty bearings on the steering pedestal.

„Wollen Sie das Schiff verkaufen?“ fragte mich Dave, als wir über die Lösung des Problems sprachen.

„Natürlich nicht“, antwortete ich spontan. Dann würde er eine langfristige Lösung vorschlagen, meinte er, die natürlich etwas teurer würde. Natürlich! Und zwar gemäss hiesigen Preisverhältnissen. Was tut man nicht alles für sein Schiff, das bereits zuvor von heimtückischen Bojen auf de Iles des Saints und einem amerikanischen Katamaran in der Marina Bas du Fort übel zugerichtet wurde.

Hat sich die Karibik gelohnt?

In solchen Momenten frage ich mich, ob sich das Abenteuer gelohnt hat. So eindeutige lässt sich die Frage weder bejahen noch verneinen. Die Überfahrt von Mindelo nach Martinique war eine grossartige Erfahrung, ein Lehrstück im Umgang mit Zeit und unerwarteten Zwischenfällen. Ich habe noch einmal viel dazu gelernt, was den Umgang mit dem Boot betrifft, wie ich es trimmen und stabil halten kann.

Und natürlich hat die Karibik etwas zu bieten: Wassertemperaturen wie in der Badewanne, atemberaubende Sonnenuntergänge in ebensolchen Ankerbuchten mit bunten Fische in mehr oder minder intakten Korallenbänken. Während eines Tauchgangs im südlich von Antigua gelegenen Riff bin ich der grössten Schildkröte begegnet, die ich je gesehen habe, habe zum ersten Mal Haie gesehen, ohne in Panik zu geraten, und Hummer so gross, dass sie unmöglich in einen Topf an Bord passen würden (nun ja, ich hätte sie auch sonst in Ruhe gelassen).

A big green turtle on a reef in the south of Antigua.

A big green turtle on a reef in the south of Antigua.

Auch bin ich vielen anderen Seglerinnen und Seglern begegnet. Einigen werde ich vielleicht auf den Azoren wieder begegnen. Die meisten werde ich wohl nie wiedersehen. Aber das gehört zu diesem Leben dazu.

Ich hätte bestimmt mehr sehen können. Aber ich bin eher der Typ, der gerne länger an einem Ort verweilt, als ständig hierhin und dorthin zu rennen. Wir lagen deshalb mehrere Tage auf den Iles des Saintes (an der heimtückischen Boje, die wir schliesslich mit der am Achterstag gesetzten Sturmfock austricksten) und in der Petite Anse an der Westküste von Guadeloupe, in der gerade mal vier Yachten Platz finden. Dort waren das Schnorcheln am schönsten und eine Bäckerei mit Croissants nicht weit.

Auf Antigua besuchte ich Nelsons’s Dockyard. Die ehemalige Versorgungsstation der Royal Navy ist heute eine Mischung aus Luxus-Ressort, exklusiver Marina und Museum. Letzteres ist hübsch, wenn auch nicht riesig. Einen Platz hätte ich in der Marina für Blue Alligator wohl kaum bekommen. Schlicht deshalb nicht, weil wir mit zehn Metern Länge viel zu klein sind, um dort anlegen zu können.

Megayacht at Nelson's Dockyard.

Megayacht at Nelson’s Dockyard.

Leere Kassen

Guadeloupe! Ich fand die Insel mit ihren Wasserfällen und dem tropischen Regenwald atemberaubend – was zuweilen wörtlich genommen werden kann. Aber ob ich dort leben möchte? Eine Familie mit drei Kindern, die in ihrem Stahlboot über den Atlantik gekommen war und neben uns in der Marina lag, ist dazu entschlossen. Nathan will Arbeit als Schweisser finden und Julie, seine Frau, bietet ihre Dienste als Tatooistin an. Die Kinder sollten in Pointe-á-Pitre, der Hauptstadt Goudeloups, zur Schule gehen. Aber die Eltern zögern. 

Tatsächlich macht die Stadt einen etwas heruntergekommenen Eindruck und die soziale Situation dürfte nicht völlig entspannt sein. Aber Heimunterricht scheint in Frankreich nun verboten zu sein und das Geld reicht nicht, um sich längere Zeit auf einer anderen Insel zu verkriechen. 

Ich drücke der Familie die Daumen, dass es klappt. Ich hatte noch nie ein Nachbarschiff, auf dem so viel gelacht wurde wie auf diesem. Ich bewundere die Gelassenheit und den Mut dieser Menschen, sich mehr oder minder ins Leben fallen zu lassen. 

Meine Mitseglerin ist mit ebensolcher Zuversicht ausgestattet. Ihre Reisekasse ist inzwischen leer. Immerhin hat sie sich Arbeit in Schottland organisiert. Es ist also auch für sie Zeit, aufzubrechen.

Ich freue mich auf die Azoren. Aber ich habe Respekt vor der Überfahrt. Über 2000 Seemeilen liegen vor uns und die Reiseplanung ist wesentlich schwieriger als für die Überquerung von Ost nach West. Noch auf Guadeloupe liess ich das Rigg ein weiteres Mal prüfen. Aber auch ein Rigger hat keinen Röntgenlick und kann nicht in das Innere von Terminals schauen.

Eine deutsche Yacht, die viel früher aufgebrochen war, erlebte einen ziemlichen Horrortrip mit Ausfall der Windanzeige und zerfetzter Genua. Ich hoffe, das bleibt uns erspart. In drei Wochen werde ich es wissen – sofern ich die Steuersäule zurückbekomme.

Kategorie: Atlantiküberquerung, Unterwegs-Blog

von

Ich bin 1964 in Zürich geboren und habe die meiste Zeit meines Lebens als Journalist gearbeitet. Seit Sommer 2020 bin ich auf meiner Yacht Blue Alligator auf dem Atlantik unterwegs.

3 Kommentare

  1. Hans Rudolf Lehmann sagt

    Toll geschrieben Rony und ja, lass Dich ins Leben fallen und geniesse die Karibik, den kurzen Aufenthalt und limitiert auf die östliche Karibik. Die Süd- und Westkaribik ist dann noch einmal eine Welt für sich.
    Nachdem der Schiffbruch „Serenitys“ in der Westkaribik 80 Meilen von Insel Roatan auch meine ganzen Finanzen durcheinander brachten (Serenity Versicherung zahlte nicht), musste auch ich lernen „mich ins Leben fallen zu lassen“ und seither, ist das Segeln viel leichter, viel angenehmer und vor Überfahrten, übergebe ich mich meinem „1st mate“. Meist weiss Er was zu tun, wann einzugreifen und ich kann mich darauf limitieren, mich von ihm tragen zu lassen. (lies „Spuren im Sand“).
    Ich wünsche Dir alles Beste auf deiner West/Ost Überquerung, der Reparatur von Blue Alligator und werden bei meinem 1st mate ein gutes Wort für dich einlegen, dass Er auf Euch aufpasst und Blue Alligator die Kraft, neben Poseidon mithalten zu können.

  2. Thomas SV Carmina sagt

    Lieber Ronald, wiederum einen tollen Bericht. Mit allen Hochs und Tiefs. Ja, die Rückfahrt wird etwas anspruchsvoller werden. Ein stabiles, gutes Wetterfenster wird bis zur Hälfte sicher ausreichen. Nachher, kommts wie es kommt. Auf jeden Fall wünsche ich Euch eine gute Heimreise, sicher und mit wenig Ârger und Komplikationen. Ich freue mich, Dich endlich hier begrüssen zu können. – Sofern Du einen kurzen Zwischenhalt auf Sao Miguel einplanst, halte ich Dir in Vila Franca einen Platz frei. – Sonst werde ich in wenigen Wochen Santa Maria aufsuchen. Noch ein paar kleine Servicearbeiten sind zu erledigen, dann bin ich startklar. Madalena verträgt das Segeln nicht, sie wird daher mit der SATA mir hinterher fliegen, um gemeinsam diese Insel, die sie als genuine Azorianerin gar noch nicht kennt. Also alles Gute und eine sicher Überquerung wünsche ich….

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