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Zöllner-Verfolgung und Sailing-Blues

Blue Alligator liegt hinter den imposanten Türmen von La Rochelle im Vieux Port.

Blue Alligator liegt hinter den imposanten Türmen von La Rochelle im Vieux Port.

La Rochelle, 27. April
Was ist nun nicht schon alles wieder passiert, seit ich das letzte Mal was geschrieben habe. Die Bretagne liegt schon lange hinter uns, ich hatte zwei Gäste und kurz vor Noirmoutier, der Halbinsel mit ihren Austernzuchten und Salzgärten, verfing sich eine Leine im Propeller von Blue Alligator.

Im Video berichte ich darüber, auch wie ich getaucht bin und das Ding los geschnitten habe.

Üble Nachwirkungen

Leider war es damit aber nicht getan, wie ich später feststellte. Das erste Anzeichen einer Nachwirkung stellte ich in Les Sables d’Olonne fest. Als ich dort den Motor startete und den Gang einlegte, wummerte es, als wäre die Leine wieder da. Das Geräusch verschwand zwar nach ein paar Sekunden. Aber von da an war es jedes Mal beim Start des Motors zu hören. Kein angenehmes Phänomen, wenn man länger unterwegs sein will und eventuell die Maschine bei der Überquerung der Biskaya braucht.

Ich habe mich in La Rochelle also vertrauensvoll an eine Werft gewandt. Den Rat, den ich erhielt, kannte ich allerdings schon im Voraus: Blue Alligator muss aus dem Wasser und man muss sich das aus der Nähe ansehen. Wahrscheinlich hat die Dichtung, in der die Welle läuft, was abbekommen. Keine grosse Sache eigentlich. Aber es blockiert mich mehrere Tage und ich werde wohl mindestens eine Nacht auf dem Trockenen verbringen. Das verursacht ganz schön Segel-Blues. Aber es hilft nichts. Besser jetzt reparieren, als später auf See mit einem echten Problem hängen.

Und wieder einmal kam der Zoll vorbei

Immerhin gab es in La Rochelle auch was zu lachen – ganz abgesehen davon, dass es üblere Städte gibt, in denen man festsitzen könnte.

Das Zollboot liegt vor Blue Alligator am Steg in La Rochelle.

Das Zollboot liegt vor Blue Alligator am Steg in La Rochelle.

Wieder einmal hatte ich Besuch vom Zoll. Aufgelauert haben sie mir schon, als ich Les Sables d’Olonne vor einer Woche verliess. Plötzlich tauchte ein Motorboot hinter mir auf und kam ganz schön nah. Übers Wasser fand anschliessend eine kleine Konversation statt:
Zöllner: „Wohin fahren Sie?“
Ich: „Nach La Rochelle.“
Zöllner: „Port Minimes?“
Ich: „Ja.“
Ich bin nur aber weder direkt nach La Rochelle gesegelt, noch habe Port Minimes angelaufen, die grosse Marina dort, sondern ich bin auf halber Strecke in den kleinen Hafen La Bourgenay eingelaufen, weil ich keine Lust mehr hatte, gegen Wind und Wellen zu segeln. Als ich dann später doch nach La Rochelle gelangte, legte ich nicht in Port Minimes an, sondern im Vieux Port gleich hinter den imposanten Türmen mitten in der Stadt. Und prompt tauchte das Motorboot wieder auf. Keine fünf Minuten später waren sie da, die Zöllner, zu viert, mit Pistole am Gürtel und grimmigen Gesichtern. Dass sie nicht gleich das Überfallkommando schickten, ist eigentlich erstaunlich. Wo ich denn geblieben sei, wollten sie wissen, und ich kam mir vor, als würde ich eines Mordes verdächtigt.

Die bösen Schweizer

Wir Schweizer müssen aber auch einen schlechten Ruf haben beim hiesigen Zoll. Denn dieses Mal reichten Schiffspapiere und Kaufurkunde nicht aus, um zu beweisen, dass ich brav die europäische Mehrwertsteuer bezahlt habe. Der gestrenge Zöllner wollte unbedingt Rechnungen sehen. Das wäre fast zum Problem geworden, da ich solche nicht ausdrucke und in Ordner stecke, um den Schiffsbauch damit zu füllen. Zum Glück fand ich dann doch eine auf dem Desktop des Computers und die Welt war wieder in Ordnung.

Allerdings wurde der Zöllner nicht müde zu betonen, dass meine Landsleute dauernd versuchten, sich vor der MwSt zu drücken. Ja, die Schweizer sind eben Steueroptimierer. Ich bin darin eher untalentiert.

Nachdem ich meine Unschuld beweisen konnte, wurde indes das Gespräch etwas entspannter und ich kramte meinen Brief hervor, den ich 2003 vom französischen Zoll bekam und der schon damals bewies, dass ich kein Verbrecher vor dem französischen Staat bin. Unterschrieben hatte ihn damals ein gewisser Commandant en second DF 39, Golliot F.

Eine Familienangelegenheit

Ich bin mich ja gewohnt, dass der Name jeweils Schmunzeln hervorruft, weil besagter Golliot F. inzwischen doch zu einem höheren Tier aufgestiegen sein muss. Diesmal fiel die Reaktion der Zöllner aber besonders merkwürdig aus. Ob das ein sympathischer, adretter Mann gewesen sei, wollte der eine wissen. Ich bemühte mich um eine diplomatische Antwort. Darauf mischte sich eine der weiblichen Beamten ein, die die Herren begleitete, eine Frau Mitte 30 mit blauen Augen und hellbraunen Haaren. Es sei bestimmt ein sympathischer und gut aussehender Mann gewesen, der mich damals kontrolliert habe, meinte sie. Wie es sich herausstellte, war die Beamtin Madame Golliot, die Frau des damaligen Commandant en second. Der französische Zoll, eine Familienangelegenheit also.

Ich frage mich, ob es nicht langsam an der Zeit wäre, mir eine Art Ehrenmitgliedschaft oder Ehren-Kontrollopferschaft des französischen Zolls zu verleihen, nun da ich schon ganze Familien in der blauen Uniform kenne – ich gehöre ja quasi dazu in der immer gleichen Rolle in diesem Theater. Immerhin habe ich nun meine Sammlung an Dokumenten um ein weiteres ergänzen können, das mir bescheinigt, kein Steuersünder zu sein. Aber zur Sicherheit lege ich nun auch Rechnungen ab. Man weiss ja nie, was passiert, wenn eine neue Generation Zöllner die Zollboote bemannt und befraut.

Zum Trost bleibt mir nun nur noch, La Rochelle etwas zu geniessen und zu hoffe, dass die Reparatur von Blue Alligator nicht zu lange dauert. Am Freitag ist der Termin für den Kran. Dann kommt sie raus und dann ist die Stunde der Wahrheit.

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1 Kommentare

  1. Sibylle Omlin sagt

    Die Zollgeschichte kommt mir bekannt vor, das mit der Leine auch… Herzlich Sibylle

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