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Raue See zwischen zwei Idyllen

Wellen brechen über einer Untiefe an der Nordbretagne

Wellen brechen über einer Untiefe an der Nordbretagne

Roscoff, 16. März: Ich habe Tréguier am Dienstag, 15. März, wieder verlassen. Keine Wolke am Himmel. Und schon fast angenehme Temperaturen – im Fluss, sieben Meilen von der See entfernt. Es sollte sich noch ändern. Wie friedlich diese Landschaft ist: der Fluss, die grünen Ufer. Zwischen Eichen eingebettet die typischen bretonischen Häuser aus Granit. Eine Frau, die mit ihren beiden Hunden am Ufer spazieren geht, schaut mir nach. Zwei Fischer in ihrem Boot sind damit beschäftigt, die Gerätschaften klar zu machen. Sie werden mich später in der Flussmündung mit ihrem Motorboot überholen.
Sonst sind keine Menschen zu sehen.

Je näher der See, desto rauer die Sache

Je näher ich der Mündung komme, je breiter der Fluss wird, desto stärker legt der Wind zu. Und schon spürt man den Seegang, erst ganz leicht, aber bestimmt. Er wird kräftig werden heute.
Je näher ich dem Meer komme, desto diffuser wird auch das Licht, als hätte sie die See mit Dunst getränkt, mit Gischtnebel, den der Wind von den Wellen abgerissen hat. Ich passiere den Leuchtturm Le Corne und nun bin ich fast draussen. Jetzt ist der Wind da und drückt aufs gesetzte Grosssegel. Es geht voran.

Allerdings werde ich das Gross nicht lange stehen lassen können. Der Wind kommt genau aus Osten. Mein Kurs führt mich nach Westen. Ich entscheide mich, das Grosssegel zu bergen und es nur mit gesetztem Vorsegel zu wagen. Die Wellen schieben Blue Alligator, als sei sie sei ein Spielzeug. Sie wollen uns immer wieder aus dem Kurs drängen. Aber der Windpilot, die Windsteueranlage, arbeitet wie ein echter Steuermann. Lässt sich nicht übers Ohr hauen.

Rosa Granit

Die Küste ist atemberaubend bizarr. Ich sehe Felsen, die auf anderen aufgetürmt sind, als hätte ein Riese mit Bauklötzen gespielt. Ganz nah am Ufer Häuser und auf einmal ein Wildwasser, die See, die über eine Untiefe rauscht und bricht. Für meinen Geschmack ist das etwas zu nah. Ich halte nach draussen.

Die Küste des rosa Granits.

Die Küste des rosa Granits.

Die Küste hier heisst Côte des granits roses, Küste des rosa Granits. Das ist keine Lüge. Eine flaschengrüne See spült hier tatsächlich an rosa Felsen. Zwischen dem Festland und den Sept Isles geht es Richtung Roscoff. Nach sechs Stunden sehe ich die Ile de Batz, die vorgelagerte Insel vor Roscoff und im Gegenlicht den langen Steg für die Fährboote. Fast da. Immer ein gutes, ein erleichtertes Gefühl.

Aber die Einfahrt in die neue Marine, die ausserhalb der Stadt liegt, will verdient sein. Nochmals hat der Seegang zugelegt, und weil der Windpilot nicht in den Hafen steuern kann, muss ich das eben tun. Zudem noch die Fender setzen, Leinen parat machen, und aufpassen, dass mich der Wind und die Wellen nicht gegen die Hafenmauer werfen. Ich mache am äussersten Ponton gleich nach der Einfahrt fest. Praktisch, ja, aber doch keine gute Idee, denn hier bewegt sich das Schiff ganz schön – die ganze Nacht durch.

Roscoff – Postkartenidyll

Am Mittwoch bleibe ich in Roscoff, schlafe aus, krieche einmal ins Schiffsinnere und mache mich dann auf ins Städtchen: eine Postkartenidylle – voller spanischer Teenager, die in den Souveniergeschäften Andenken kaufen und französisch radebrechen. Zum Trost aller Schweizer Französischschüler, die andern können’s auch nicht besser.

Strassenszene und die Kirche von Roscoff.

Strassenszene und die Kirche von Roscoff.

Der Wetterbericht verheisst auch für den Donnerstag starken Wind aus Osten. Und eine hohe See. Wir werden also wieder durchgeschüttelt. Aber ich will weiter: Noch zwei Schläge und ich werde das Ende der Welt runden, Finistere, und dann in der Südbretagne sein.

Und der alte Leuchtturm von Roscoff.

Und der alte Leuchtturm von Roscoff.

Kategorie: Archiv, Unterwegs-Blog

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Ich bin 1964 in Zürich geboren und habe die meiste Zeit meines Lebens als Journalist gearbeitet. Seit Sommer 2020 bin ich auf meiner Yacht Blue Alligator auf dem Atlantik unterwegs.

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